Norman Dankerl: Alois Lindner

Das Leben des bayerischen Abenteurers und Revolutionärs,
Broschur, 144 S., 11,80 Euro, ISBN 978-3-929517-79-8

Alois Lindner, 1887 in Kelheim / Niederbayern geboren, schließt sich nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs in München der sozialistischen Arbeiterbewegung an. Als Kurt Eisner ermordet wird, wird Lindner selbst zum Attentäter. Der Journalist Norman Dankerl beschreibt die politische Situation der damaligen Zeit sowie den Prozess gegen Lindner.

11,80 €

Inhalt.

Alois Lindner, 1887 in Kelheim / Niederbayern geboren und dort in „kleinen Verhältnissen“ aufgewachen, heuert nach einer Metzgerlehre auf einem Ozeandampfer an und lernt so die große, weite Welt kennen. Mit Ausbruch des 1. Weltkriegs  kehrt er nach Bayern zurück und schließt sich in München der sozialistischen Arbeiterbewegung an. Er kämpft an der Seite Kurt Eisners, des ersten Ministerpräsidenten des Freistaats Bayern. Und als dieser ermordet wird, wird Lindner selbst zum Attentäter.

Das Buch enthält die kleine Autobiografie, die Lindner im Zuchthaus Straubing verfasst hat. Der Journalist Norman Dankerl beschreibt die politische Situation der damaligen Zeit sowie den Prozess gegen Lindner. Zum ersten Mal kann er aus Archivmaterial der ehemaligen Sow¬jetunion den weiteren Weg Alois Lindners verfolgen.


Norman Dankerl, geboren 1953 in Amberg, arbeitet seit über 30 Jahren als Journalist und Fotograf in der Oberpfalz. Er veröffentlichte Beiträge in Zeitungen und Zeitschriften sowie im Rundfunk. Er ist Autor zahlreicher Bücher und Buchbeiträge, u.a. des Romans „Wassertor“. Sein Theaterstück „Menschenmuseum“ wurde mit einem Autorenpreis des Regensburger Turmtheaters ausgezeichnet. Norman Dankerl lebt in Amberg.


Teil I

Alois Lindner: Abenteuerfahrten eines Revolutionären Arbeiters


1. Kapitel: Kindheit
2. Kapitel: Lehrjahre
3. Kapitel: In die weite Welt
4. Kapitel: Die Reise nach Amerika
5. Kapitel: Wildwest
6. Kapitel: Die letzte große Fahrt
7. Kapitel: Der Weltkrieg
8. Kapitel: Der Zusammenbruch
9. Kapitel: Die Flucht nach Ungarn
10. Kapitel: Im Zuchthaus

Teil II

1. Lindner und die Revolution von 1918
2. Die Ermordung Eisners und das Attentat auf Auer
3. Der Prozess gegen Alois Lindner, Urteil und Haft
4. Lindners letzter Lebensabschnitt

Vorwort

In den Räumen des ehemaligen Reichsrats, der bayerischen ersten Kammer, tagt der Revolutionäre Arbeiterrat, eine aus den Ereignissen der Revolutionsnacht vom 7. auf den 8. November 1918 spontan gebildete Gruppierung. In die Beratungen des 21. Februar 1919 platzt die Nachricht von der Ermordung des bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner durch den rechtsradikalen Studenten und Weltkriegs-Leutnant, Anton Graf von Arco auf Valley. Für Alois Lindner, Mitglied der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) und des von Kurt Eisner gegründeten Revolutionären Arbeiterrates, bricht eine Welt zusammen. Als Lindner von dem Attentat auf Eisner hört, stürzt er in den Landtag, schießt auf Innenminister Erhard Auer und verletzt ihn schwer. Lindner ist sich sicher, dass Auer hinter dem Komplott gegen Kurt Eisner steckt. Den Offizier Jahreis, der Lindner an der Flucht aus dem Landtag hindern will, erschießt der Revolutionär im Handgemenge. Bei dem Tumult findet auch der Abgeordnete Osel den Tod. Mit Hilfe von Freunden flieht Lindner nach Ungarn. Auf einer Kurierfahrt nach Österreich wird er an der Grenze festgenommen und an Bayern ausgeliefert.

Am 15. Dezember 1919 vormittags um 11 Uhr erlässt das Volksgericht am Landgericht München im Namen des Freistaates Bayern folgendes Urteil: Verurteilt wird Lindner Alois wegen eines Verbrechens des versuchten Totschlags und eines Verbrechens des erschwerten Totschlags zur Gesamtstrafe von 14 Jahren Zuchthaus.

Lindners Leben ist turbulent, abenteuerlich und tragisch zugleich. In armen Verhältnissen im niederbayerischen Kelheim am 14. August 1887 geboren und aufgewachsen, heuert er nach einer Metzgerlehre in Regensburg und Wanderungen durch die Schweiz und Deutschland in Hamburg auf einem Ozeandampfer des Norddeutschen Lloyd an. Als Seemann fährt er über die Weltmeere, lernt fremde Orte und Kulturen kennen, kommt nach Neapel, Amsterdam, London, Sydney, Bombay, Rio, Shanghai, Tokio.

Für Lindner ist es wie in einem Märchen, als sein Schiff im Hafen von New York anlegt. Bilder wie aus John Dos Passos’ Roman „Manhattan Transfer“ überwältigen den Metzgergesellen aus Bayern. Lindner kann sich kaum satt sehen an dem Treiben der Großstadt und genießt die Wochen in der Neuen Welt. In New York hört er auch vom Wilden Westen, wo das Gold auf der Erde liege. Lindner geht nach Westen, wird Cowboy und lebt einige Monate mit einer Indianerin zusammen. Bald aber packt ihn wieder das Fernweh. Zurück in New York heuert er wieder auf einem Ozeandampfer an. Während eines Landurlaubs in der Heimat besucht Lindner seine Familie in Kelheim. Er berichtet von seinen Abenteuerfahrten. Die Eltern sind stolz. Lindner wird herumgereicht und bestaunt wie ein bunt aufgezäumtes Zirkuspferd.

Lang hält es der Seemann zuhause nicht aus. Er geht wieder auf See und nutzt eine Reise nach Australien, um seine Schwes­ter Wally zu besuchen, die bei Perth mit ihrem Ehemann eine kleine Landwirtschaft betreibt. Lindner findet Arbeit in einer Konservenfabrik und bleibt fast ein Jahr in Australien. Dann locken wieder das Meer und die weite Welt.

Der 1. Weltkrieg wirft seine Schatten voraus. Im Suezkanal hört Lindner von der Mobilmachung. Die „gute, alte Prinzregentenzeit“ in der Heimat ist vorüber. Bald sollte sich die Euphorie, mit der auch bayerische Männer gegen Frankreich in den Krieg ziehen und von dem sie an Weihnachten zurück sein wollen, in Schrecken und Entsetzen wandeln. Lindners Schiff darf nicht weiterfahren. In Spanien werden die Seemänner entlassen. Nach einer abenteuerlichen Reise kommt Lindner 1915 in München an. Hier hört er erstmals von Kurt Eisner und schließt sich ihm begeistert an. Lindner beteiligt sich an den Versammlungen, Demonstrationen und Kämpfen, die im November 1918 zum Umsturz in München und zur Proklamierung des Freistaats Bayern führen.

In den Jahren nach 1918 gehören politische Morde in Deutschland fast zur Tagesordnung. Kommunisten und Sozialdemokraten, aber auch liberale und katholische Politiker fallen Anschlägen zum Opfer. Die Täter kommen vor allem aus der rechtsnationalen Szene. Kurz bevor in Bayern Kurt Eisner von Graf Arco niedergeschossen wird, werden die KPD-Führer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordet. Im August 1921 wird der Unterzeichner des Waffenstillstandsabkommens und frühere Reichsfinanzminister Matthias Erzberger (Zentrum) umgebracht, am 24. Juni 1922 Außenminister Walther Rathenau in Berlin in seinem Dienstwagen erschossen. Die Täter, wenn man sie denn festnimmt, kommen durchwegs mit relativ milden Strafen davon. Andererseits geht die Justiz gegen Linke mit gnadeloser Härte vor. Die Justiz besteht zum Großteil aus Richtern, die bereits in der Kaiserzeit das Amt inne hatten und sie hassen die Linke. Statistiken belegen, dass bei den Prozessen linke Straftäter in der Regel weitaus schlechter wegkommen als rechte.

Alois Lindner geht als Attentäter in die Geschichte ein. Aber ein kaltblütiger Mörder ist er sicher nicht gewesen. Ein gerichtsmedizinisches Gutachten vom 29. Oktober 1919 weist diesen unsteten, ja getriebenen Menschen als „erregbare psychopathische Persönlichkeit“ aus. Seine Taten sind auch im Zusammenhang mit den Wirren der Novemberrevolution von 1918 sehen, an deren Spitze Kurt Eisner steht, den Lindner glühend verehrt.

Im Gegensatz zu Graf Arco, der die Ermordung Eisners geplant und dies vor Freunden angekündigt hatte, ist Lindner ein Hitzkopf, der sich im Taumel und in der aufgeheizten Stimmung in den Tagen der Revolution zu der Tat hinreißen hat lassen. Arco wird nach vier Jahren lockerer Festungshaft entlassen, Lindner muss acht Jahre im Straubinger Zuchthaus absitzen, bevor er begnadigt wird. Nach den Gerichtsakten, Protokollen und Aufzeichnungen von Zeitgenossen hat Lindner wohl einen fairen Prozess erhalten. Aber Graf Arco wird zweifellos schonender behandelt.

Im Zuchthaus Straubing hat Lindner seine Lebensgeschichte aufgeschrieben, die 1924 als Taschenbuch mit dem Titel „Abenteuerfahrten eines Revolutionären Arbeiters“ im Neuen Deutschen Verlag Berlin erscheint. Eine Geschichte, die aus einem Roman von B. Traven stammen könnte, einem unter Pseudonym schreibenden Autor, der an der Revolution in München beteiligt war. Durch sie zieht sich der Schrei nach einer gerechteren Welt wie ein roter Faden. Lindner schreibt seine Lebenserinnerungen in einer einfachen, naiven, oft blumigen, manchmal pathetischen Weise nieder. Zwischen den Zeilen ist auch einiges über den Menschen Lindner zu erfahren, über den Idealisten und Fantasten. Alois Lindners „Abenteuerfahrten“ sind auch ein Versuch, seine Tat zu rechtfertigen und sein Leben etwas bunter zu zeichnen als es war – und ein Ventil, um das Zuchthaus zu überleben.

Mit dem Tod Eisners hat Lindner seine Hoffnungen auf eine gerechtere Gesellschaft zerstört gesehen. Die Gegensätze zwischen Arm und Reich, zwischen Herren und Untertanen, die Ausbeutung des Arbeiters durch das Kapital und der Wunsch nach sozialer Gerechtigkeit haben Lindner zeit seines Lebens bewegt und später auch seine revolutionären Taten bestimmt. Lindner, ein Mensch mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn, war Pazifist mit der Waffe in der Hand. Ein Mensch voller Widersprüche, Träume und Sehnsüchte. Aufbrausend, zornig und sentimental zugleich. Ein unsteter Geist, ständig auf der Suche.

„Dieser Totschläger ist ein Kind, ein reiner Gefühlsmensch und ein wahrhaft reiner Mensch dazu“, schreibt Erich Mühsam in einem Brief an Gustav Radbruch, nachdem Lindner 1928 aus der Haft entlassen worden ist. Ernst Toller widmet dem Attentat Lindners in seinem Buch „Eine Jugend in Deutsch­land“ eine sechszeilige Spalte, auf sein weiteres Schicksal geht er nicht ein. Auch Carl Amery streift in seinem Buch „Leb wohl geliebtes Volk der Bayern“ das Attentat auf Auer nur am Rande. Ohne Lindner namentlich zu nennen, schreibt Amery: „Bei der Kunde von seinem Tod (gemeint ist der Tod Eisners – Anm. N.D.) drang ein wirklicher Revolutionär in den Landtag ein und schoss Erhard Auer nieder ... Er hatte von seinem Standpunkt aus wahrscheinlich nicht den falschen Mann erwischt. Die Mehrheitssozialisten hatten unter seiner Führung den Ansatz von 1918 systematisch torpediert ...“ Georg Lohmeier erwähnt in seinem Buch „Wer Knecht ist, soll Knecht bleiben. Die königlich-bayerischen Sozialdemokraten Erhard Auer, Ignaz Auer und Georg von Vollmar“ den Attentäter Lindner auch nur beiläufig: „Graf Arco wurde zum Tode verurteilt, unter Kahr aber zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe begnadigt und nach fünf Jahren unter Ministerpräsident Held auf freien Fuß gesetzt. Erst 1945 ist er durch einen Verkehrsunfall zu Tode gekommen. Ähnlich erging es Alois Lindner ...“. Worauf diese Erkenntnis beruhte, das konnte Lohmeier bei einem Telefongespräch mit dem Autor nicht erklären. Lindners Ableben scheint wohl eher der Fantasie Lohmeiers zu entstammen.

Nach der Entlassung aus dem Zuchthaus versucht Lindner in München eine Existenz als Kaufmann aufzubauen. Der Versuch scheitert. Anfang der 30er Jahre emigriert er in die Sowjetunion, kämpft in der Roten Armee und arbeitet für die Partei bis 1941 in Moskau als „Agitator“. Die letzte Spur von Lindner findet sich 1943 in Kalinin (jetzt: Ufa), einer Großstadt etwa 100 Kilometer westlich des Urals.

Der erste Teil des vorliegenden Buches enthält die autobiografische Skizze Alois Lindners. Im zweiten Teil wird das Leben Lindners eingeordnet in die Zeit der Novemberrevolution 1918 in München, bei der Lindner an vorderster Stelle mitgekämpft hat. Besonderes Gewicht wird dabei auf die Auseinandersetzungen innerhalb der sozialistischen Bewegung gelegt, personalisiert durch die beiden politischen Führer Kurt Eisner und Erhard Auer. Aus der Gegnerschaft der beiden und aus der Skizzierung der Wirren der damaligen Zeit soll der Hintergrund des politischen Attentats von Alois Lindner aufgehellt werden. Dazu sind längere Zitate von Augenzeugen sowie Sitzungs- und Vernehmungsprotokolle in dieses Buch aufgenommen.

Im Unterschied zu Kurt Eisner oder Erich Mühsam ist Alois Lindner – gewiss in einer weit weniger bedeutenden Rolle – ein aus Bayern selbst stammender Revolutionär an der Wiege des modernen Bayern. Das Buch zeichnet das Schicksal Alois Lindners, aus einer armen niederbayerischen Familie stammend, nach, vom Wandergesellen und Weltenbummler über den revolutionären Arbeiter bis zum Exil in der Sowjetunion.

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